Die Beziehung zwischen der Kriegerin Lisaan und dem Söldner Tareq könnte unter keinem ungünstigeren Vorzeichen beginnen - schließlich ist sie seine Gefangene. Doch ein göttlicher Auftrag bindet die beiden auf Gedeih und Verderb aneinander.
In ihrem Debüt "Mitternachtsrot" entführt die in der Schweiz lebende Fantasyautorin Bianca M. Riescher ihre Leser in die Welt Dschanor und nimmt sie sogar mit auf eine Zeitreise. Ich habe Bianca, die ich letztes Jahr auf der BuCon in Dreieich kennenlernen durfte, einige Fragen zu ihrem Buch und ihrer Arbeit als Autorin gestellt.
Bianca, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, dich durch meinen doch recht umfangreichen Fragenkatalog zu ackern. Das Schwierigste zuerst: "Mitternachtsrot" in einem Satz!
Mitternachtsrot ist eine actionreiche Low-Fantasy-Geschichte über eine Kriegerin und einen Söldner, gewürzt mit spannenden Schwertkämpfen, romantischen Begegnungen und einer Prise Humor.
Ich muss gestehen, dass ich „Mitternachtsrot“ zunächst für waschechte Romantasy gehalten habe. Aber es geht von Anfang an ziemlich handfest zur Sache, und die Action macht einen deutlich größeren Anteil aus als romantische Szenen. Wen hattest du beim Schreiben als Zielgruppe im Visier?
Zielgruppe: Bianca. "Mitternachtsrot" war zunächst ein komplett privates Projekt, wobei ich einen Roman schreiben wollte, den ich selbst gerne lesen würde. Ich bin eine heimliche Liebhaberin von Conan & Co., wobei mich aber immer gestört hat, dass dort die romantische Dimension sehr einseitig ist. Romantasy hingegen ist mir meistens zu wenig abenteuerlich. Ich wollte etwas über eine starke Frau lesen, die nicht ständig vom strahlenden Helden gerettet werden muss, sondern die für sich selbst entscheiden kann. Ich wollte einen Helden, der nicht perfekt ist, sondern auch Schwächen haben darf. Als nächste Zutat: kein Kitsch, aber durchaus ein paar prickelnde Momente, die hoffentlich nicht ins Ordinäre abrutschen. Da mir die Suche nach solch einem Buch zu mühsam war, habe ich es eben kurzerhand geschrieben. Tja, selbst ist die Frau …
Der starken Heldin Lisaan stellst du mit dem Söldner Tareq einen ebenbürtigen Anspielpartner gegenüber. Was sagt Lisaan über Tareq? Was denkt Tareq über
sie?
Wenn ich Lisaan frage, was sie von Tareq hält, fielen ihre Antworten mit fortschreitender Seitenzahl ziemlich unterschiedlich aus, angefangen bei dem rücksichtslosen
Bastard über das arrogante Ekel und dem charmanten Schweinehund bis hin zu einem liebenswerten Mistkerl.
Tareqs Meinung über Lisaan ist von Anfang an positiver. Ihre Frechheit und ihr Mut gefallen ihm; natürlich auch ihr Aussehen. Aber seinen Respekt und seine Bewunderung erwirbt sie durch ihre Fähigkeiten als Kriegerin. Tareq liebt es, Lisaan zu necken, aber er meint es nie boshaft.
Im Laufe der Geschichte lernen sie, einander absolut zu vertrauen. Wie ich finde, keine schlechte Basis für tiefere Gefühle.
Du bist begeisterte Bogenschützin. Auch wenn deine Heldin das Schwert bevorzugt – wie viel Lisaan steckt in dir?
Ich denke, dass eher wenig Bianca in Lisaan steckt, und das nicht nur wegen der Wahl der bevorzugten Waffe. Die einzige Übereinstimmung könnte der leichte Hang zur Unordnung sein, der mich selbst sehr stört und den ich ständig zu bekämpfen versuche (daher auch meine Vorliebe für Tabellen und Checklisten), während Lisaan das nicht so eng sieht.
Hat deine Erfahrung mit dem Bogen „Mitternachtsrot“ um einige authentische Beschreibungen bereichern können?
Leider gibt es dort keine Bogenkampfszenen. In meinem zuletzt beendeten Manuskript (das noch einen Verlag sucht) kommen aber Bögen zum Einsatz . Wie authentisch diese Szenen sind, ist schwer zu sagen. Ich bin recht friedfertig und möchte nicht unbedingt ausprobieren, wie es ist, jemanden vom Rücken eines Pferdes aus zu beschießen. Allerdings lege ich Wert darauf, dass die Details stimmen, wie z.B. die Wahl der richtigen Pfeilspitzen oder dass das spitze Ende des Bogens, an dem die Sehne befestigt ist, nicht „spitzes Ende“, sondern „Nock“ genannt wird.
Dein Protagonist Tareq und seine Söldner haben ihre Vorbilder im irdischen Orient. Hattest du als Expertin für Geographie und Geschichte schon immer eine besondere Vorliebe für diesen Kulturkreis?
Nicht lachen, aber das muss im übermäßigen Konsum der Bücher Karl Mays begründet liegen. Als Teenager habe ich vor allem seine Orientromane verschlungen. Daneben aber auch Reiseberichte von Afrika- und Saharaforschern wie Gerhard Rohlfs, Gustav Nachtigal oder Heinrich Barth, weil ich schon damals wissen wollte, wie weit Karl May mit seinen Schilderungen daneben lag. Auch die Forschungsreisen von Sir Austen Henry Layard haben mich sehr geprägt.
Im Geographiestudium habe ich mich dann sehr für Trockengebiete und speziell Nordafrika interessiert und deshalb an der Uni zusätzlich vier Semester lang Arabistik studiert (das Grundstudium habe ich sogar erfolgreich abgeschlossen).
Meine Faszination für die Sahara ist ungebrochen. Was lag da näher, als meine Helden in die Wüste zu schicken?
Nicht nur in die Wüste, sondern auch in die Vergangenheit! Hast du dir die Konsequenzen möglicher Eingriffe in den Zeitstrom bewusst gemacht und von vornherein den Plot darauf ausgerichtet?
Unter uns: Ich finde Zeitreisen schrecklich. Ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich an die vielen Pardoxa denke, die einem über den Weg laufen können.
Da ich „Mitternachtsrot“ sehr intuitiv und absolut ungeplant geschrieben habe, hat mich die Zeitreise selbst überrascht. Weil sie aber durch göttliches Einwirken begründet ist, habe ich sämtliche Bedenken über Bord geworfen. Mit (fast) allen Konsequenzen, die für die „Normalzeit“ durch die Veränderungen in der Vergangenheit zu befürchten sind. Ab einem bestimmten Punkt gab es schreibtechnisch ohnehin kein Zurück mehr.
Thema „Weltenbau“: Entwickelst du deine Welt um die Geschichte herum, oder lässt du deine Helden auf eine komplett gestaltete Welt los?
Wie schon angesprochen, habe ich „Mitternachtsrot“ überhaupt nicht geplant. Die Welt Dschanor entstand nach und nach während des Schreibens. Ich glaube, mein geographischer Hintergrund ist dafür dann doch ganz nützlich. Die Wüste von Dschanor habe ich an eine Küstenwüste wie z.B. die Namib angelehnt und das Gebirge trägt ein wenig Alpen-Charakter.
Zu „Mitternachtsrot“ gibt es sogar
eine Karte der Welt Dschanor. Ist diese nachträglich entstanden, oder war sie von vornherein Arbeitsgrundlage?
Auch hier wieder: keine Vorausplanung. Nur irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich Wegstrecken und Bewegungsrichtungen nicht mehr im Kopf jonglieren konnte. Daraufhin entstand die erste Skizze von Dschanor, auf der die von meiner lieben Verlegerin Ingrid gestaltete Karte basiert.
Ist Dschanor eine Welt, in der du gerne leben würdest?
Gerne würde ich nun nicht unbedingt dort leben wollen, dafür mag ich moderne Annehmlichkeiten wie Geschirrspüler einfach zu gern. Aber ich könnte mir schrecklichere Orte vorstellen, an die es mich verschlagen könnte.
Viele Autoren nähern sich dem Schreibhandwerk über Kurzgeschichten oder Schreibforen an. Du bist mit „Mitternachtsrot“ direkt ins kalte Wasser gesprungen. Hat es dich Überwindung gekostet, mit dem Manuskript an einen Verlag heranzutreten? Hattest du Zweifel an deiner Geschichte oder deinen Fähigkeiten?
Überwindung? Ziemlich viel, natürlich. Zweifel? Jede Menge. Ich hatte doch nur die Meinung meiner besten Freundin zum Manuskript. Das Problem war und ist, dass ich meine Geschichten sehr schlecht einschätzen kann. An einem Tag finde ich mein Geschreibsel schlichtweg genial und am nächsten Tag möchte ich es am liebsten wieder löschen. Vielleicht resultierte die Suche nach einem Verlag auch aus dem Wunsch, endlich einmal Feedback von neutraler Seite zu bekommen und nicht nur von Freunden und Familie.
Auf deiner Autorenseite kann man dich als „methodische Autorin“ erleben. Du plottest, entwickelst die Charaktere im Vorfeld, arbeitest mit Checklisten. Hast du dich schon einmal dabei ertappt, beim Schreiben von der Handlung so mitgerissen zu werden, dass sie sich in eine ganz andere Richtung entwickelte? Ist dein Plot grundsätzlich flexibel, oder legst du Wert darauf, im vorgeplanten Handlungsrahmen zu bleiben?
Irgendwie bin ich immer noch ein bisschen auf der Suche, wie ich mein Schreiben am besten organisiere. „Mitternachtsrot“ habe ich intuitiv geschrieben, aber dafür sehr intensiv überarbeitet. Mein letztes Manuskript bin ich geplant angegangen, dafür hielt sich der Überarbeitungsbedarf in Grenzen.
So wie es aussieht, bewährt sich eine Kombination aus wildem Drauflosschreiben und strengem Plotten. Mein aktuelles Projekt habe ich nur kurz auf einer A4-Seite skizziert und dann gleich mit dem Schreiben angefangen. Charaktere und Plot sind in meinem Kopf grob bekannt, ich weiß, wohin die Reise geht und auch wie es enden soll, aber wie meine Protagonisten dorthin gelangen, darf mich selbst auch immer noch überraschen. Bestimmte Eckpunkte stehen also fest, aber ich kann flexibel auf unvorhergesehen Ereignisse reagieren.
Die Eigendynamik, die ein Text während des Schreibens gelegentlich entwickelt, verblüfft mich selbst. Aber gerade solche Szenen zu schreiben, besitzt einen unheimlichen Reiz und macht richtig Spaß.
Lovelybooks, Amazon und andere Portale überschlagen sich mit guten Rezensionen zu deinem Debüt. Berühren deine Füße noch den Boden?
Vor der ersten Rezension war ich ein Nervenbündel, da ist es recht hilfreich, wenn die Reaktionen positiv ausfallen. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn es den LeserInnen gefallen hat. Aber ich weiß natürlich auch, dass es nicht jedem gefallen kann, deshalb versuche ich nicht abzuheben.
Woran arbeitest du gerade?
Nachdem Dschanor eine ausbaufähige Welt ist, darf auch mein aktuelles Romanprojekt sich dort tummeln. Mehr verrate ich aber nicht. Vor allem, weil es noch arg in den Kinderschuhen steckt. Nur soviel: es wird hoffentlich wieder spannend, romantisch und ein bisschen humorvoll.
Vielen Dank, Bianca, für diesen sehr persönlichen und aufschlussreichen Einblick in deine Arbeit!
Danke für das Interview, Thomas. Es hat mir Spaß gemacht, mit dir zusammen noch einmal durch Dschanor zu reisen.
> Zu Bianca M. Rieschers Autorenseite
"Mitternachtsrot" erscheint im Verlag ohneohren als Ebook und Taschenbuch:
ISBN - epub: 978-3-903006-30-0
ISBN - mobi: 978-3-903006-31-7
ISBN - Taschenbuch (mit beiliegender Karte): 978-3-903006-32-4
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