Im Reich der Götter
Langsam schält sich aus dem dystopischen Weltmodell eine pyramidenförmige Klassengesellschaft heraus.
In den Zellen lebt die produzierende Klasse, die einen Großteil der Weltbevölkerung stellt - die Basis der Pyramide, um die es im ersten Teil ging.
Darüber folgt die Klasse der Dienstleister: Verwaltungs- und Forschungsassistenten, Sicherheitsleute, Pflegepersonal. Sie rekrutieren sich aus den Zellenbewohnern und werden einem Indoktrinationsprogramm unterzogen, dass sie in willfährige Helfern der Oberschicht verwandelt. Außerdem sind sie der "Rohstoff" der Genetiker (Wir erinnern uns: Nur die genetisch Vielversprechendsten werden aus den Zellen geholt).
Die Dienstleister führen ein relativ selbstbestimmtes Leben: Sie genießen Bewegungsfreiheit (nur die Wohnbereiche der Oberschicht sind tabu für sie), dürfen Familien gründen, können jederzeit ihre Versetzung in einen anderen Tätigkeitsbereich oder eine andere Stadt beantragen, genießen einen Luxus, der die Zellen wie ein Provisorium aussehen lässt, und können zwischen einem breiten Spektrum an Freizeitangeboten wählen.
Es gibt Karrieremöglichkeiten, aber die Führungspositionen bleiben der Oberschicht vorbehalten. Der einzige Weg weiter hinauf führt über Heirat, Adoption oder die Fürsprache eines Lenkers (zu diesen später mehr).
Dieser ganze Rummel wird also für die Oberschicht veranstaltet? Scheinbar ja. Denn deren Luxus ist unbeschreiblich.
Die obere Million der Menschheit (mehr sind es nicht und mehr sollen es auch nicht werden) muss nicht einmal etwas für ihren Lebensunterhalt tun. Trotzdem tun es die meisten aus Gründen der Selbstverwirklichung und Reputationssteigerung - durch dekadenten Lebensstil empfiehlt man sich nicht für die Rolle eines Lenkers.
Den Reichtum haben diese Menschen von ihren Vorfahren aus der Zeit vor der Errichtung der neuen Weltordnung geerbt - und dieser Reichtum war einst deren Eintrittkarte in diesen illustren Kreis.
Als Angehöriger der Oberschicht profitiert man von der besten medizinischen Versorgung und einer hohen Lebenserwartung, lässt seine Kinder genoptimieren und in vitro austragen, nach neuesten pädagogischen Erkenntnissen zu sozialen und kreativen Menschen programmieren und beschränkt die elterlichen Pflichten auf konfliktfreie Qualitätszeit zwischen den Schulungseinheiten.
Die Spitze der Pyramide stellen die Lenker dar. Dies sind die globalen Entscheidungsträger, doch dahinter verbirgt sich kein tatsächliches politisches Amt, sondern der Machterhalt jener Milliardärsclans, die einst mit ihren enormen Finanzmitteln (die selbst jene der wirtschaftlich stärksten Staaten in den Schatten stellten) die Zeitenwende eingeläutet haben.
Die Lenker und ihre Familien betrachten sich als neue Menschenrasse, genetisch und moralisch selbst der Oberschicht weit überlegen. Ihre Lebenserwartung beträgt 200 Jahre und mehr, dank Implantationstechniken und Medikamenten, die die Zellalterung verlangsamen. Selbst über den Tod hinaus werden Wege erforscht, zumindest das Gehirn oder das reine Bewusstsein in künstlichen Körpern oder virtuellen Umgebungen zu konservieren.
Jene, die aus der Oberschicht in den Rang eines Lenkers aufsteigen, ahnen nicht, dass ihnen die wahre Macht vorenthalten wird und sie selbst nur gelenkt werden. Und wer zuviel fordert oder zu viele Fehler begeht, der stürzt tief.
Bis hierhin klingt alles nicht sonderlich dystopisch, das gebe ich zu. Nächstes Mal beleuchte ich die Konflikte dieser scheinbar gut funktionierenden Welt, die zwar keine Gleichbehandlung kennt, sich aber in einem stabilen Gleichgewicht befindet. Da darf ich dann mal richtig fies sein. Muhahaha!
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